Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet einem Staat nicht nur, seine Staatsangehörigen auszuweisen, sondern gewährleisten diesen auch das Recht auf jederzeitige Einreise in ihren Heimatstaat. Dieses Heimkehrrecht stellt damit das Gegenstück zu der in Artikel 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 gewährleisteten Ausreisefreiheit dar: Wer sein Heimatland verlassen hat – gleich ob vorübergehend oder auf Dauer geplant – kann jederzeit in seinen Heimatstaat zurückkehren. Keine Ausreise und keine Auswanderung darf endgültig sein.
Die im Protokoll Nr. 4 gewählten Worte „niemand darf das Recht entzogen werden“ soll dabei zum einen zum Ausdruck bringen, dass Maßnahmen, durch die eine Ausübung des Rechts zur Einreise in den Heimatstaat vorübergehend behindert wird, z. B. durch Quarantäne o.ä., nicht als Verstoß gegen die Bestimmung anzusehen sind.
Zum anderen soll diese Fassung die Möglichkeit zulassen, dass der Staat von einer Person, die ein Recht zur Einreise nach Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls Nr. 4 in Anspruch nehmen will, den Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit verlangen kann.
Das Heimkehrrecht des Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls Nr. 4 kann nur gegenüber dem Staat in Anspruch genommen werden, dessen Staatsangehöriger das Opfer einer Verletzung dieser Bestimmung ist. Ansprüche gegen andere Staaten ergeben sich hieraus nicht.
Artikel 3 Absatz 2 des Protokolls Nr. 4 gewährt ein Recht, in das Hoheitsgebiet des Staates einzureisen, dessen Staatsangehöriger man ist. Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, dass damit auch ein absolutes Recht zuerkannt wird, in jedem Fall auch dauerhaft in dessen Hoheitsgebiet bleiben zu dürfen. So hat beispielsweise ein Strafgefangener, der nach seiner Auslieferung durch seinen Heimatstaat aus einem Gefängnis des ersuchenden Staates entwichen ist, keinen unbedingten Anspruch darauf, Zuflucht im eigenen Land zu finden. Ebenso dürfte ein Angehöriger der Streitkräfte, der seinen Dienst im Hoheitsgebiet eines Staates versieht, dessen Staatsangehöriger er nicht ist, kein Recht auf Repatriierung haben, um in seinem eigenen Land bleiben zu können.
Nach Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls Nr. 4 (der in seiner Fassung dem Artikel 5 des Zusatzprotokolls entspricht) sind die in diesem Protokoll enthaltenen Gewährleistungen und Verbote als Zusatzartikel zur Europäischen Menschenrechtskonvention anzusehen und alle Bestimmungen der Konvention dementsprechend anzuwenden. Dies bedeutet insbesondere auch, daß Konventionsbestimmungen mit allgemeinem Inhalt auf die die in dem Protokoll Nr. 4 beschriebenen Gewährleistungen und Verbote Anwendung finden. Auch das Heimkehrrecht ist damit ein Menschenrecht im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention und genießt den dort verbürgten Schutz.
Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind
Artikel 3 – Verbot der Ausweisung eigener Staatsangehöriger
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- Niemandem darf das Recht entzogen werden, in das Hoheitsgebiet des Staates einzureisen, dessen Angehöriger er ist.