In ihrem Artikel 6 beschreibt die Menschenrechtskonvention die Rechte eines jeden auf ein faires Verfahren. Neben besonderen Vorschriften für ein faires Strafverfahren und der Gewährleistung der Unschuldsvermutung beschreibt Artikel 6 hierbei einen allgemeinen Grundsatz, wie er nicht nur für Strafverfahren, sondern für alle gerichtlichen Verfahren, also auch für Zivilprozesse zwischen privaten Parteien, gilt.
Verletzungen dieses in Artikel 6 der Menschenrechtskonvention gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren stellen heute bei den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte behandelten Individualbeschwerden die am meisten erhobene Rüge dar.
Nach dem Verständnis der Menschenrechtskonvention umfasst die Gewährleistung eines fairen Verfahrens:
- den Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und aufgrund eines Gesetzes errichteten Gerichts;
- die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung und der Urteilsverkündung;
- die Verhandlung und Entscheidung des Gerichts in angemessener Zeit;
Die Menschenrechtskonvention erkennt allerdings an, dass in bestimmten Fällen die Öffentlichkeit der Verhandlung und der Urteilsverkündung – einschließlich der Presseöffentlichkeit – ausgeschlossen wird, sei es für das gesamte Verfahren oder auch nur für bestimmte Verfahrensteile. Anerkannte Gründe für einen solchen Ausschluss der Öffentlichkeit sind
- Gründe der öffentlichen Ordnung oder der Moral;
- Gründe der nationalen Sicherheit, soweit dieser Grund in einer demokratischen Gesellschaft anzuerkennen ist;
- der Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie
- der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien.
Darüber billigt es die Menschenrechtskonvention, wenn das Gericht auch in anderen Fällen nichtöffentlich verhandelt, sofern eine öffentliche Verhandlung
- unter den besonderen Umständen des Einzelfalls
- die Interesse der Rechtspflege beeinträchtigen würden und
- das Gericht dies für unbedingt erforderlich hält – was bedeutet, dass das Gericht hierüber im jeweiligen Einzelfall befinden muss.
Artikel 6 – Recht auf ein faires Verfahren
- Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
- Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
- Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:
- innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
- ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
- sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
- Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
- unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
Bildquellen:
- Landgericht Bremen: Bildrechte beim Autor