In ihrem Artikel 1 verpflichtet die Menschenrechtskonvention alle Vertragsstaaten, die in ihr verbürgten Menschenrechte und Grundfreiheiten allen Personen zu gewähren, die ihrer Hoheitsgewalt unterstehen. Eine Beschränkung auf das Staatsgebiet besteht bezüglich der Verpflichtung also nicht.
Vertragsstaat der Konvention kann nur ein Mitglied des Europarats und der Europäischen Union sein. Als geschlossene Konvention gehört es inzwischen wie selbstverständlich zur Bedingung der Europaratsmitgliedschaft, dass der jeweilige Staat die Menschenrechtskonvention unterzeichnet und ratifiziert hat.
In Artikel 1 EMRK wird keine Unterscheidung nach verschiedenen Gewalten des Staates getroffen. Die Bindung an die Menschenrechte und die Grundfreiheiten gilt daher sowohl für die Exekutive wie auch für Judikative und Legislative – sie bindet die Verwaltung ebenso wie die Gerichte und die nationalen Gesetzgeber.
Auch differenziert Artikel 1 EMRK nicht danach, warum eine Person der Hoheitsgewalt eines Staates untersteht. Die in der Menschenrechtskonvention verbürgten Menschenrechte und Grundfreiheiten gelten mithin – abgesehen von der in Artikel 16 beschriebenen Einschränkung für die Menschenrechte der Freiheit der Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot – unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Jeder Vertragsstaat hat daher Ausländer oder Staatenlose, die sich etwa auf seinem Staatsgebiet aufhalten, genauso in ihren Menschenrechten und Grundfreiheiten zu schützen, wie seine eigenen Staatsangehörigen.
Der Schutz gilt auch nicht nur beschränkt auf das eigene Staatsgebiet, sondern überall dort, wie ein Staat de jure oder de facto seine Hoheitsgewalt ausüben kann.
Artikel 1 – Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte
Die Hohen Vertragsparteien sichern allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I bestimmten Rechte und Freiheiten zu.
Bildquellen:
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Council of Europe / Ellen Wuibaux