Recht auf Leben

KZ Auschwitz, Einfahrt

Nach dem in Artikel 1 ausgesprochenen allgemeinen Grundsatz der Bindung der Staaten an die Menschenrechte und Grundfreiheiten enhält die Menschenrechtskonvention direkt zu Beginn in ihrem Artikel 2 die Gewährleistung des elementarsten Menschenrechts überhaupt: des Rechts auf Leben.

Die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet das Recht auf Leben gleichwohl nicht uneingeschränkt, sondern erlaubt nach wie vor die Tötung eines Menschen – sei es als gezielte Tötung oder als Folge einer staatlichen Gewaltanwendung –

  • im Rahmen von Notwehr und Nothilfe;
  • im Rahmen der Festnahme einer Person oder der Verhinderung eines Fluchtversuchs eines Inhaftierten, sofern die Festnahme oder Inhaftierung auf gesetzlicher Grundlage (und unter Beachtung des Artikels 5 EMRK) erfolgt ist bzw. erfolgt;
  • zur „rechtmäßigen“ Niederschlagung eines Aufstandes;

Allerdings stellt die Menschenrechtskonvention auch bei diesen Ausnahmegründen seinen Vertragsstaaten keine carte blanche aus. Vielmer sind die Staaten aus Artikel 2 EMRK verpfichtet, in jedem Fall, in dem ein Mensch durch Gewalteinwirkung zu Tode gekommen ist, dies wirksam und effektiv zu untersuchen. Diese Ermittlungspflicht hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zunächst im Jahr 1995 in seinem Urteil „McCann gegen Vereinigtes Königreich“ für den Fall aus Art. 2 EMRK hergeleitet, das der Tod auf einer Gewalteinwirkung insbesondere durch Vertreter des Staates beruht. In seinem Urteil „Yasa/Türkei“ hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Verpflichtung im Jahr 1998 aber auch auf alle sonstigen Fälle ausgedehnt, in denen ein Mensch durch Gewalteinwirkung zu Tode gekommen ist.

Artikel 2 – Recht auf Leben

  1. Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich ge­schützt. Niemand darf ab­sichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.
  2. Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Ge­waltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
    1. jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
    2. jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
    3. einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.
Todeszelle_Kalifornien

Die ursprüngliche Gewährleistung des Rechts auf Leben in der Menschenrechtskonvention ist darüber hinaus zunächst noch insoweit zurückhaltend, als dass sie nicht den Vollzug einer durch Strafurteil verhängten Todesstrafe verbietet. Dieses Einschränkung ist heute jedoch gegenstandslos: So verlangt das 1983 verabschiedete 6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention die Abschaffung der Todesstrafe außerhalb der Kriegsgerichtsbarkeit, durch das 13. Zusatzprotokoll wird die Todesstrafe sodann im Jahr 2002 die Todesstrafe vollständig, auch im Rahmen der Kriegsgerichtsbarkeit, abgeschafft.

Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe

Artikel 1 – Abschaffung der Todesstrafe

Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.

Artikel 2 – Todesstrafe in Kriegszeiten

Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden. Der Staat übermittelt dem Generalsekretär des Europarats die einschlägigen Rechtsvorschriften.

Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe

Artikel 1 – Abschaffung der Todesstrafe

Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.

Artikel 2 – Verbot des Abweichens

Von diesem Protokoll darf nicht nach Artikel 15 der Konvention abgewichen werden.

Artikel 3 – Verbot von Vorbehalten

Vorbehalte nach Artikel 57 der Konvention zu diesem Protokoll sind nicht zulässig.

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